Alleinerziehender Vater und Berufsfeuerwehrmann – wenn die Ehefrau und Mutter fehlt.
Interview: Daniela Wagner
12. März 2016

Ihre Leidenszeit brach nicht erst mit dem Tod Ihrer Frau an. Schon Monate davor zogen dunkle Wolken auf ...
Steffen Schwarz: Die Geburt unserer Tochter im November 2009 war sehr schwer und meine Frau musste wegen Komplikationen länger als normal im Spital bleiben. Unbemerkt von den Ärzten, aber auch von uns als Familie, kam eine schwere Wochenbettdepression hinzu. Diese wurde erst diagnostiziert, als es schon fast zu spät war.

Anfangs erlebten wir eine sehr verwirrende Zeit. Auf der einen Seite die unglaubliche Freude über die Geburt unserer Tochter, andererseits aber auch so vieles, das unerklärlich und für uns unerwartet war.


Wie äusserte sich das?
Steffen Schwarz: Auf ganz unterschiedliche Weise. War meine Frau früher eine extrem fröhliche, sportliche, liebevolle und lebenslustige Frau, die auch mit Jesus lebte, so fühlte sie sich nach der Geburt oft müde, kraftlos und machte sich grosse Sorgen. So kannte ich sie nicht! In ihrer Seele schien etwas Zerstörerisches zu wuchern. Dies brachte uns an unsere Grenzen und machte eine Behandlung in einer Klinik notwendig.


Wie ging es Ihnen in dieser Zeit? Sie hatten, nebst der Sorge um Ihre Frau, einen Säugling zu betreuen, einer herausfordernden Arbeit nachzugehen und waren noch mit dem Bau des Eigenheims beschäftigt ...
Steffen Schwarz: Das ist schwer zu beschreiben. In einer solchen Extremsituation prasseln viele Dinge gleichzeitig auf einen ein. Zu Beginn waren die Ärzte optimistisch, meine Frau würde wieder gesund werden. So versuchte ich, allem gerecht zu werden, und war zuversichtlich, was unsere Zukunft betraf. Inzwischen ging es ihr etwas besser, sie musste nur noch tagsüber in die Klinik.

Dann erlitt sie einen schweren Rückfall, der eine erneute Einweisung erforderte. Waren wir aufgrund der Prognosen und der Entwicklung noch guten Mutes gewesen, zeichnete sich nun ab, dass es nicht mehr wie bis anhin funktionieren würde. Rund um die Uhr musste jemand bei ihr sein.


Wenige Tage vor dem Suizid lichtete sich ihre Depression für kurze Zeit und Sie konnten ganz viele Dinge miteinander besprechen und klären ...

Diese wenigen Stunden damals, als wir in der Klinik auf den Aufnahmearzt warteten, sind für mich ganz besonders wertvoll und in gewisser Weise im Heute immer wieder ein Trost.

Es war wirklich ein besonderer Moment. Kein Mensch befand sich auf dem Flur. Es war still. Wir sassen uns gegenüber, redeten miteinander und tauschten uns ehrlich und offen aus. Das war seit der Geburt aufgrund der massiven Depression nicht mehr möglich gewesen.

Wir sprachen über all die Dinge, die falsch gelaufen waren, was wir ändern und besser machen wollten. In grosser Vertrautheit konnten wir manches klären.


Dies sehen Sie heute als ein Geschenk Gottes ...

Absolut! So etwas hätte ich nicht für möglich gehalten und betrachte es deshalb auch nicht als selbstverständlich! Und ohne, dass wir wussten, was kommt, gab es uns die Möglichkeit, gegenseitige Vergebung auszusprechen. Ja, Frieden zu schliessen mit der Situation, in der wir steckten.


Dann kam der Tag, als die Polizei Sie anrief ...

Ich befand mich gerade auf der Autobahn auf dem Weg zu meinem besten Freund, Jörg. Meine Tochter schlief im Kindersitz auf der Rücksitzbank, als das Handy klingelte und eine Polizeibeamtin sich bei mir meldete.

Ich musste von der Autobahn abfahren, das Auto parken und ihr versprechen, nicht mehr weiterzufahren. Dann sagte sie, es tue ihr leid, mir mitteilen zu müssen, dass meine Frau nicht mehr am Leben sei.

Das traf mich wie ein Schlag. Einen solchen Moment kann man nicht mit Worten beschreiben. Ich schaffte es noch irgendwie, meinen Freund anzurufen, er solle uns abholen. Ab da kann ich mich an vieles nicht mehr erinnern.

(Interviewauszug aus ethos 03/2016)