Nach einer hitzigen Diskussion mit meinen Schülern über die unrühmliche Mobbingaktion einer WhatsApp-Gruppe und die Gefahren der digitalen Welt überhaupt setze ich mich an meinen Schreibtisch, um meine Einsichten zu diesem Thema in einem Artikel zusammenzufassen.
Nicola Vollkommer
23. Februar 2017

Der Tag war lang, ich bin todmüde, kann mich nicht konzentrieren. Ich klicke, ohne nachzudenken, auf meine Mailbox, um zu schauen, ob jemand heute an mich gedacht hat. Wenn ich schon dabei bin, schaue ich nach Facebook-Posts. Und wenn ich schon auf Facebook bin, prüfe ich, was gerade in der Welt passiert und ob es Neuigkeiten aus der Promi-Welt gibt. Obwohl mich das alles, ehrlich gesagt, keinen Deut interessiert.

Ich schmunzle über meine eigene Heuchelei und klicke auf das leere Blatt zurück. Was ist der Reiz des Internets? Warum stochere ich nach Informationen herum, die ich weder brauche noch will? Der offensichtliche Grund ist pure Faulheit. Um einen Artikel zu schreiben, muss ich mein Gehirn aktivieren, Denkarbeit leisten, Ideen und Formulierungen aus den hintersten Winkeln meiner müden Seele herauslocken, und sie auch noch tippen und redigieren. Im Internet zu surfen ist eine salonfähige Ausrede, die Arbeit vor mir herzuschieben. Immerhin soll man wissen, was in der Welt los ist. Und was ist daran verwerflich, eine Mail aufzurufen?

Ob das fieberhafte Scrollen meiner jugendlichen Freunde tagein, tagaus nach Messages auf ihren Smartphones einen ähnlichen Hintergrund hat? Machen sie es, weil es weniger Mühe kostet, zu konsumieren als zu kreieren? Oder um sich einzubilden, in dieser kalten Welt nicht allein zu sein, weil man per Klick erfahren kann, was der andere gerade zum Frühstück isst? Der digitale Voyeurismus macht süchtig, das ist kein Geheimnis. Wenn ich mich nur damit beschäftige, was die anderen machen, verliere ich irgendwann meine Orientierung, werde «gelebt» anstatt zu leben, ich denke im permanenten Vergleichsmodus. Und in den Vergleichen schneide ich immer schlecht ab. Schnell vergesse ich, dass jeder sich nur so zeigt, wie er gesehen werden will, im Wetteifern um den mustergültigen Lebensentwurf, die besten Urlaubsbilder, Paarposen, Selfies, Veranstaltungen. Es ist die universale Hoffnung, irgendwo, irgendwie aufzufallen, Zuwendung zu finden.

Das Internet bietet aber auch riesige Chancen. Es ist ein öffentlicher Marktplatz. Ich begegne dort genialen Menschen, die ich sonst nicht kennen würde. Ich kann Jesus bezeugen, andere ermutigen, persönlichen Austausch mit Lesern meiner Bücher pflegen. All die Dinge, die ich im «normalen» Leben auch tue. Oder zumindest versuche. Das Internet, richtig eingesetzt, ist ein wunderbares Verkündigungsportal für das Evangelium. «Also ist der Glaube durch die Verkündigung, die Verkündigung aber durch das Wort Christi» (Römer 10,17).

Ich muss nicht mehr «gelebt» werden, ich kann Leben weitergeben. Jemanden anderen «liken», anstatt darauf zu warten, selber «geliked» zu werden. Gedanken und Impulse teilen, die anderen Mut machen, anstatt mein Image zur Schau zu stellen. Die gewinnende, einladende «gute Nachricht» des Evangeliums verkündigen. Nicht geprägt werden, sondern im Auftrag Gottes prägen, Menschen mit der Liebe Jesu berühren, unser von Gott gegebenes und von der Bibel inspiriertes Gedankengut mit Zuversicht und Freude auf die Bildschirme dieser Welt werfen.

«WhatsApp» mit meiner Seele? Jesus lebt und regiert darin – das ist «WhatsApp» mit meiner Seele!

(Artikelauszug aus ethos 2/2017)