Erschöpft, ausgebrannt und das lähmende Gefühl «Ich kann nicht mehr» – so lässt sich dieses schon fast als Volkskrankheit anmutende Problem auf den Punkt bringen.
Inge Fischer
25. Mai 2017

Niemand, der Ursula kennt, hätte das bei ihr erwartet. Sie verkörperte nahezu den Prototyp der sogenannten «Powerfrau». Alles schien sie mit Bravour unter einen Hut zu bringen: Arbeit, Freizeit und soziale Kontakte. Doch nun war sie über Monate infolge eines Burnouts arbeitsunfähig. Eine stationäre Rehabilitationsmassnahme in einer psychosomatischen Einrichtung wurde notwendig.

Im Rückblick erzählte mir Ursula, dass sich bei ihr am Tag X gleich mehrere körperliche Beschwerden massiv bemerkbar gemacht hätten: starke Kopfschmerzen, Verspannungen, Ohrendruck, ausgeprägte Lärmempfindlichkeit und Schwächegefühl. Zudem begleitete sie ein über Wochen sich steigerndes Gefühl, den bisher vertrauten Alltag nicht mehr meistern zu können. Wie eine schwer zu tragende Last empfand sie ihn. Ihre seelische Verfassung verschlechterte sich, Angstzustände stellten sich ein. Ursula zog sich mehr und mehr zurück. Trotz mehrerer Untersuchungen kam der Hausarzt zu keiner wirklichen Diagnose. Schliesslich fügten sich die verschiedenen Symptome zu einem Bild mit dem Namen: Erschöpfung oder Burnout ...


Jeden kann es treffen

So wie Ursula die Anzeichen für ihr Burnout beschrieb, so typisch und gleichzeitig auch unspezifisch treten sie in der Regel auf. Meist beginnt die Erschöpfung schleichend. Deswegen wird sie vom Betroffenen nicht bemerkt, übergangen oder auch heruntergespielt: Ständig fühlt man sich müde, Verdauungsprobleme stellen sich ein. Magen-, Kopf-, Rückenschmerzen, manchmal auch Tinnitus verstärken den belastenden Zustand. Der Arzt findet keine körperlichen Ursachen. Auch Konzentrationsprobleme und Reizbarkeit begleiten den Betroffenen. Unter Umständen kann es zu einer psychischen Erkrankung kommen, wie z. B. einer Depression oder Angststörung, was zu innerem und äusserem Rückzug führt.

Obwohl landläufig meist den Berufen im Gesundheits- und Sozialbereich (z. B. Pflegekräfte, Erzieher, Lehrer, Sozialpädagogen) oder Managementberufen ein hohes Risiko für ein Burnout zugesprochen wird, weiss man inzwischen, dass grundsätzlich jeder betroffen sein kann: vom «einfachen» Angestellten über die Hausfrau bis zum Topmanager und Arbeitslosen.


Vieles spielt zusammen

Die WHO ordnet dem Burnout im ICD-101 keine eigene psychische Störung zu und spricht damit auch nicht von einer Krankheit im eigentlichen Sinn, sondern von einem Risikozustand.

Welches sind mögliche Ursachen und Auslöser? Gibt es Persönlichkeitsmerkmale, die eine Anfälligkeit für Burnout begünstigen? Welche Rolle spielen Stress, aber auch Einstellungen und Erwartungen?

Grundsätzlich unterscheidet man zwischen personenexternen Belastungsfaktoren und personeninternen Persönlichkeitsfaktoren (siehe Box). Diese gelten als Nährboden für ein Burnout-Syndrom und werden wechselseitig wirksam.

Laut WHO stellt Stress im Beruf eine der grössten Gefahren des 21. Jahrhunderts dar und Wissenschaftler sind sich einig darin, dass chronischer Stress in ein Burnout münden kann. Umgekehrt gibt es viele Menschen, die diesen als positive Herausforderung betrachten und nicht in ein Burnout geraten.

Geprägt wurde der Begriff Burnout Anfang der 1970er-Jahre vom amerikanischen Psychoanalytiker Herbert Freudenberger. 1977 erschien in Deutschland das Buch von Wolfgang Schmidbauer «Die hilflosen Helfer. Über die seelische Problematik der helfenden Berufe». Interessant finde ich den Zusammenhang zur Zeitgeschichte: Die sogenannten 68er waren es, die die Emanzipation von Autoritäten, auch von Gott, erzwingen wollten. Könnte es sein, dass Menschen deshalb heute eher hilflos und ausgebrannt sind, weil Gott als Lebensmitte, als Herr des Lebens, zunehmend verbannt wird? Ohne den Glauben an den Schöpfer sind wir auf uns selbst zurückgeworfen, auch in der Bewältigung von Stress.

(Artieklauszug aus ethos 5/2017)