Christine Walch, siebenfache Mutter, Lehrerin, Autorin und in der «Flüchtlingsarbeit» tätig, erzählt im Interview von ihren Freundschaften über sprachliche, kulturelle und andere Barrieren hinweg und was sie täglich motiviert, für andere eine Freundin zu sein.
Cornelia Nydegger
25. Oktober 2017

Christine, du bist eine «den Menschen zugewandte» Person, strahlst Ruhe und wirkliches Interesse an deinem Gegenüber aus, sei dies ein Kind oder eine erwachsene Person. Warst du schon immer so?
Christine Walch: Ich glaube schon, denn es gab da wirklich diese Neugierde in mir auf andere Menschen, vor allem, wenn sie einem anderen Land oder Kulturkreis entstammten. Als ich etwa sechs Jahre alt war, lebte in unserer Nähe eine türkische Familie mit einem Mädchen, das Ayşe hiess. Ich kann mich erinnern, dass ich mich fragte: Was machen diese Menschen den ganzen Tag? Was essen sie? Wie sieht es bei ihnen aus?  

 

Du warst ein Kind auf der Sonnenseite des Lebens: liebevolles Elternhaus, intelligent, hübsch, gesund. Im Teenageralter kamst du zum Glauben an Jesus Christus. Wie kam das und wie hat sich dein Leben verändert durch deine Umkehr zu Gott?
Ich kannte die Kinderbibel von Anne de Vries recht gut, liess sie aber hinter mir, als ich älter wurde. Jesus war zweifellos ein besonderer Mensch gewesen, aber es gab ihn nach meinem Verständnis ja nicht mehr! Dass sich mein ältester Bruder aber durch den Glauben an eben diesen Jesus wirklich zum Positiven veränderte, brachte mich zum Nachdenken. Interessanterweise musste mir niemand klarmachen, dass ich nicht so lebte, wie ich eigentlich leben sollte. Ich wusste, dass ich Schuld auf mich geladen hatte und weiterhin auf mich lud. Ich glaube, diese klare Erkenntnis schenkte mir Gottes Geist, denn er ist es, der die Menschen überführt. Meine Sünden drückten und beunruhigten mich, und ich sehnte mich danach, sie loszuwerden. Ich erfuhr: Jesus war gekommen, um die Strafe für unsere Bosheiten auf sich zu nehmen, und hatte sein Leben für uns gegeben! Er allein konnte das tun, denn er ist Gottes Sohn und ohne jede Sünde.

 

Sehr jung hast du dich mit Jürgen
befreundet, ihr habt bald geheiratet und innerhalb von 15 Jahren sieben Kinder bekommen. Ihr hattet und habt immer ein offenes Haus, viele Gäste und ein bescheidenes Einkommen. Zwei eurer Kinder sind chronisch krank. Wie hast du das alles geschafft?

Nicht ich allein – Jürgen und ich haben es gemeinsam geschafft. Wir hatten uns eine Familie mit mehreren Kindern gewünscht. Hätte Gott mich nicht mit einer guten körperlichen Konstitution, einem ausgeglichenen Gemüt und mit Sinn für Humor gesegnet – was schon mal hilfreiche Voraussetzungen für den Fulltime-Job einer Mutter und Hausfrau sind –, wäre es sicher schwerer gewesen. Dass mein Mann als Lehrer öfter auch an den Nachmittagen zu Hause war und mich in der Erziehungsarbeit unterstützen und entlasten konnte, war eine grosse Hilfe. Während ich mich um die Kleinen kümmerte, übernahm Jürgen die Grösseren. Er lehrte sie, mit Werkzeugen umzugehen und bei Arbeiten zu helfen. Als ausgesprochener Naturfreund machte er sie auf viele kleine und grosse Wunder in der Natur aufmerksam. Wir praktizierten eine klare Aufgabenteilung: Jürgen managte unseren Familienbetrieb und war für alle Aussendienste wie Einkaufen, Behördengänge und Instandsetzungsarbeiten rund ums Haus zuständig. Mein Bereich war der Innendienst: der Haushalt, die Wäsche, das Saubermachen und Kochen, die Betreuung der Kleinen, die Hausaufgaben der Grösseren, das Musik-Üben, das Wahrnehmen von Terminen in den Schulen, usw. Ich war und bin jedoch definitiv keine Super-Hausfrau, deren Haus ständig geputzt und aufgeräumt ist. Bei uns stapelten sich enorme Wäscheberge, da gab es Krümel unter dem Esstisch und Spinnweben an der Decke. Ich versuchte hartnäckig, immer eines nach dem anderen zu erledigen, ohne mich in Stress versetzen zu lassen. Ich konnte auch mal Dinge liegenlassen. Natürlich stellten uns die besonderen Krankheiten von Annika und Benjamin vor grosse Herausforderungen. Annika erkrankte in ihrem 11. Lebensjahr an Diabetes Typ I, Benjamin kam mit angeborenen Herzfehlern zur Welt. Im Jahr 2003 musste er am Deutschen Herzzentrum München zwei grosse Operationen am offenen Herzen und eine weitere zur Platzierung des Herzschrittmachers im Bauchraum überstehen. Seine angeborenen Herzfehler konnten nicht operativ korrigiert werden, doch ein in der Zwischenzeit erworbener Herzfehler – eine geschädigte Herzklappe – wurde durch eine Kunstklappe ersetzt. Seine Rekonvaleszenz nahm rund eineinhalb Jahre in Anspruch. Damit verbunden waren unzählige Fahrten zu Kontrollterminen beider Kinder. Mandel- oder Blinddarmoperationen, eine Schulteroperation, gebrochene Arme oder Finger sowie 11-mal mit einem unserer Kinder zum Nähen von Kopfverletzungen in die Ambulanz fahren, verloren dadurch an Dramatik und gehörten schon fast zur Routine.

(Artieklauszug aus ethos 10/2017)