Geheimnisvoll, sagenumwittert und wunderschön: Lebensräume mit Seltenheitswert.
Martin Mägli
6. November 2017

Wer schon einmal bei Nebel oder in der Dämmerung in einem Moor unterwegs war, kann mit Sicherheit verstehen, weshalb sich die Menschen früher in diesen eigentümlichen Landschaften gefürchtet haben und so auch zahlreiche Sagen und Schauergeschichten über Moore entstanden sind. Etwas von dieser Angst drückt etwa das bekannte Gedicht von Annette von Droste-Hülshoff, «Der Knabe im Moor», aus:

«O, schaurig ist’s, übers Moor zu gehn,
Wenn es wimmelt vom Heiderauche,
Sich wie Phantome die Dünste drehn
Und die Ranke häkelt am Strauche,
Unter jedem Tritte ein Quellchen springt,
Wenn aus der Spalte es zischt und singt –
O, schaurig ist’s, übers Moor zu gehn,
Wenn das Röhricht knistert im Hauche!» (...)

Das Moor ist aber keineswegs ein Ort zum Fürchten, im Gegenteil: Wegen des radikalen Rückgangs dieser wunderschönen Urlandschaften (90 % seit Ende 19. Jahrhundert) finden hier viele gefährdete Pflanzen- und Tierarten einen besonders seltenen und wertvollen Lebensraum. Ein Viertel aller betroffenen Tierarten ist für das Überleben auf intakte Moorlandschaften angewiesen und die Hälfte der vom Aussterben bedrohten Pflanzen in der Schweiz gedeihen in solchen Feuchtgebieten.

Moore spielen auch für das Klima eine bedeutende Rolle. Die hier vorkommenden Pflanzen nehmen schädliches Kohlendioxid (CO2) aus der Luft auf und wandeln es in Kohlenstoff um. Sterben sie ab, bleibt der Kohlenstoff
im Boden gespeichert.


Wie Moore entstanden

Nach dem Ende der letzten Eiszeit besiedelten feuchtigkeitsliebende Pflanzen die weitgehend offenen und nassen Böden. Unter den feuchten Voraussetzungen entstanden zahlreiche offene Flachmoore. Oft bildeten sie sich aber auch erst später durch Waldrodungen oder Verlandungen von Seen oder Teichen. Flachmoore werden durch Oberflächenwasser nass gehalten und so gelangen auch die raren Nährstoffe ins Moor. Die ursprünglich oft für Stallstreue genutzten Flachmoorflächen wurden in den letzten 100 Jahren gezielt entwässert und daher immer seltener. Die Modernisierung der Landwirtschaft und der hohe Pflegeaufwand sorgten für einen grossen Rückgang der Flachmoore.

In Jahrtausenden entstehen aus Flachmooren manchmal auch Hochmoore. Da im extrem nährstoff- und sauerstoffarmen Milieu mit hohem Säuregehalt kaum Bakterien und Würmer überleben, wird totes Material fast nicht abgebaut und häuft sich in Form von Torf an. So entstanden in einigen Mooren Torfschichten, die mehrere Meter dick sind. Nur extreme Spezialisten – hauptsächlich Torfmoose – wachsen hier noch.

Mit der Zeit verliert die oberste Vegetationsschicht den Kontakt zum Grundwasser und wird dann ausschliesslich durch Niederschlagswasser versorgt. Ein Hochmoor gleicht einem riesigen Schwamm, der sich bei genügend Niederschlag komplett vollsaugt. Oft wölbt sich diese Schicht wie ein Pfannendeckel über die Umgebung. Da Hochmoore viel Wasser speichern, sind sie sehr wichtig für den Wasserhaushalt einer Region und wirken sogar vorbeugend gegen Überschwemmungen.

Hochmoore sind in vielen Regionen selten geworden. Man findet sie aber an und für sich in der ganzen Schweiz und auf verschiedenen Höhenstufen. Der spärliche und äusserst langsame Pflanzenwuchs in Hochmooren sorgt für sonnendurchflutete Verhältnisse und macht diesen Lebensraum vor allem für Reptilien attraktiv. Auch für bedrohte Tiere wie etwa den Hochmoor-Gelbling, einen seltenen Schmetterling, bieten Hochmoore eine mittlerweile rare Lebensgrundlage.

(Artikelauszug aus ethos 11/2017)