«Ich komme gut ohne ihn aus», denken viele – und hängen sich der gängigen Behauptung an, dass die Verfasser der Bibel weniger aufgeklärt waren als wir modernen Menschen.
Nicola Vollkommer
19. Januar 2021

«Ich komme auch so mit meinem Leben klar.» – «Für mich hätte Jesus nicht sterben brauchen.» – «Was, an das Zeug aus der Antike glaubst du als moderner, gebildeter Mensch?» – «Der moderne Mensch braucht diese alten Krücken nicht mehr» ...

Immer wieder habe ich diese oder ähnliche Aussagen aus Gesprächen mit Glaubensskeptikern im Ohr, wenn ich die aktuellsten erschütternden Schlagzeilen aus aller Welt im Tagesblatt oder im Internet lese. Naja, irgendwas braucht der moderne Mensch offensichtlich schon, denke ich. Genauso wie der Mensch der Antike etwas gebraucht hat. Wenn nicht Gott, was sonst? Kein denkender Mensch kann behaupten, dass alle Grausamkeiten und Ungerechtigkeiten dieser Welt normal oder in Ordnung sind. Klar, wir hatten die Aufklärung, die Wunder des technologischen Fortschritts, beeindruckende Entdeckungen ohne Ende, die Eliminierung der Schwarzen Pest, die Erfindung des Internets und sogar – zumindest in Europa – zum ersten Mal in der Geschichte ein bisschen Frieden und sehr viel Wohlstand. Ein Zyniker würde von Glück reden, ein Christ von der Gnade Gottes.

Und dennoch, weltgeschichtlich und global gesehen, bringt es auch der «fortschrittlichste» Mensch irgendwann fertig, überall wo er sich niederlässt bestenfalls Müllhalden, schlimmstenfalls ungerechte Verhältnisse, Armut und Berge von Leichen zu hinterlassen. Das ist der Trend, den keine neue Erfindung, kein technischer Fortschritt bisher verhindern konnte.  Der einzige Unterschied ist, dass der heutige Mensch Zerstörungsaktionen mit grösserer Effizienz durchführen kann. Gegen ein einzelnes Schwert hatte man immerhin eine Chance, sich zu wehren. Gegen eine Bombe oder biologische und chemische Waffen eher weniger.

Auf der Anklagebank

Könnte mir eigentlich egal sein – solange meine kleine Welt in Ordnung ist. Bis die Brüchigkeit dieses Lebens mich selber irgendwann trifft. Das kann jederzeit passieren, technische Fortschritte hin oder her. Enttäuschung, Verrat, Niedertracht, gebrochene Versprechen, eine unheilbare Krankheit, ein Unfall. Seltsam, wie Menschen in so einer Situation auf einmal den Gott, an den sie nicht geglaubt haben und ohne den sie so gut ausgekommen sind, auf die Anklagebank drücken wollen. «Wie kann Gott das nur zulassen?» – «Was macht er den ganzen Tag, hebt er doch keinen Finger, um mir zu helfen?» Oder: «Wenn es dich gibt, Gott, dann tue etwas!»

Öffne die Augen!

Wie wäre es denn damit, zunächst einmal selber etwas zu tun? Zum Beispiel, die Augen öffnen? Mit unvoreingenommenem Blick einen Kastanienbaum anschauen. Eine Rose. Einen Regenbogen. Einen Marienkäfer. Eine Schneeflocke. Ein Kind. Auf den Gedanken stossen, dass kein menschlicher Künstler so was jemals schaffen könnte? Seltsamerweise wird diese Frage nie gestellt! Wer hat diese auf geniale Weise durchdachte, atemberaubende Schönheit hinbekommen? Der Zufall? Die Natur? Wirklich? Wie absurd es doch ist, zu behaupten, meine kleine goldene Uhr hätte einen Erfinder und einen Schöpfer gehabt, und im gleichen Atemzug darauf zu bestehen, dass etwas so Komplexes wie eine Pflanze oder ein Säugling durch Zufall entstanden ist! Die Himmel verkünden in der Tat die Herrlichkeit Gottes (Ps. 19,1). Der Apostel Paulus nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn er behauptet, allein ein Blick in die Schöpfung genüge, um den Menschen anzuspornen, eifrig nach der Wahrheit zu suchen (Röm. 1,20). Wer anfängt, über die Schöpfung zu staunen, muss irgendwann Gott in die Arme laufen. Eigentlich ist es schwierig, ihn nicht zu finden.

Gott entfaltet vor unseren Augen nicht nur die Wunder einer herrlichen Schöpfung, auf der seine Signatur überall zu erkennen ist. Er hinterlässt auch ein Buch: die Bibel – sein Künstler-Portfolio –, mit Beschreibungen seines Charakters und seines Handelns, mit seinen Kontaktdetails und dringenden Hinweisen auf die Möglichkeit, die Verbindung zu ihm aufzunehmen. Die gängige Behauptung, dass jene Denker, Theologen und Autoren, die die Inhalte der Bibel verfasst haben, weniger aufgeklärt waren als wir modernen Menschen, strotzt förmlich vor Hybris und Arroganz. Vermutlich hatten diese Männer – im engen Miteinander bescheidener Lebensverhältnisse und in der ständigen Auseinandersetzung mit Leid und Sterblichkeit – eher mehr, nicht weniger Einblick in die geistliche Welt als wir. Ihre Worte sind ernst zu nehmen.

Lesen Sie den ganzen Artikel in ethos 01/2021.