Sie haben nichts, die meisten wollen weg: Das Leben auf Kuba ist alles andere als einfach. Einige Christen bleiben und sind ein beeindruckendes Zeugnis für Jesus.
Daniel Bühne
20. November 2024

Timon – einer meiner Reisebegleiter – ist zum ersten Mal in Kuba. Kurz vor der Landung erzähle ich ihm von den häufigen Stromausfällen in Kuba. Wir sind noch keine Stunde auf der Insel, da bekommt er schon die erste Kostprobe: Am Flughafen fällt der Strom aus, die Gepäckbänder stehen still, alles wird dunkel. Diesmal kommen wir glimpflich davon. Schon kurze Zeit später läuft der Flughafenbetrieb wieder. Meistens trifft es die Kubaner härter. Bei unserer Reise über die Insel treffen wir mehrere Christen, die gerade mehrstündige Stromausfälle verkraften müssen. Wenn man miterlebt, wie in tropisch heissen Nächten die Klimaanlage stundenlang nicht läuft, wie in der Hitze des Tages der Kühlschrank nichts mehr kühlt oder wie Eltern nächtelang mit dem Fächer wedeln müssen, um ihre schwitzenden Kinder vor den Mücken zu schützen, dann bekommt man eine Vorstellung davon, wie hart die «apagones» die Bevölkerung treffen.

Wenige Tage später. Es ist 6 Uhr morgens, wir sitzen in einem alten Mercedes-Sprinter, der uns an den Rand der Sierra Maestra bringen soll. Von dort aus wollen wir mit einem Spezialtransporter hoch ins Gebirge fahren, um ein kleines, von der Zivilisation fast abgeschnittenes Dorf zu besuchen, in dem einige Christen leben. Unser Fahrer – Rodeon, ein sechzigjähriger Kubaner – betätigt den Anlasser. Ausser dem Klicken der Zündung ist nichts zu hören, der Wagen rührt sich nicht. Rodeon steigt aus, holt seine Schlüssel heraus und fängt an, am Motor rumzuschrauben. Kurze Zeit später spricht er einen Motorradfahrer an und erhält von ihm die Erlaubnis, Öl von seinem Motorrad abzulassen. Schnell hat Rodeon ein paar Schläuche gelöst und das benötigte Öl entnommen. Wir versuchen, den Wagen anzuschieben – kein Lebenszeichen. Rodeon klingelt an einer Haustür, neben der ein uralter LKW steht. Der Fahrer kommt heraus und hilft sofort, obwohl er eigentlich einen anderen Auftrag zu erledigen hätte. In Kuba hilft jeder jedem, weil man weiss, dass man selbst noch unzählige Male Hilfe brauchen wird. Mit einem Abschleppseil zieht der LKW-Fahrer den Sprinter durch die Strassen, mehrmals kommt das rasende Duo an uns vorbei, ohne dass der Wagen läuft.

Dann sind sie auf einmal weg, es vergehen einige Minuten. Um ca. 8 Uhr kommt Rodeon mit dem Sprinter zurück – er ist fahrbereit.

Etwa eine Stunde später sitzen wir mit ungefähr 30 Personen auf der offenen Ladefläche des Lastwagens, der uns in die Berge bringen soll. Die Steigungen sind teilweise beachtlich, die zu überwindenden Steinblöcke ebenfalls. Mit grosser Anstrengung müssen wir uns an den Seitenwänden des Lkws festhalten, immer wieder verhindert nur ein blitzschnelles Bücken, dass man von einem tief hängenden Ast der zahlreichen Bäume erwischt wird.

Am frühen Mittag sind wir oben in Arroyón angekommen. Zahlreiche Christen erwarten uns schon freudig. Die Menschen hier oben in der Sierra Maestra leben ein Leben, wie man es in Westeuropa nicht mehr kennt: im Einklang mit der Natur, Kaffee, Früchte und Gemüse anbauend, ohne Geschäfte, ohne Kino, ohne motorisierte Fahrzeuge, aber zufrieden.

Für unseren Besuch haben sie extra zwei Schweine geschlachtet, die von zwei alten Kubanern auf langen Spiessen über der heissen Glut gebraten werden.

Die Mehrheit möchte weg

So zufrieden die Bewohner von Arroyón auch scheinen mögen, die Mehrheit der Kubaner hat nur einen Wunsch: die Insel lieber heute als morgen zu verlassen.

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