Das Leben von Richard und Sabina Wurmbrand.
Roswitha Wurm
19. August 2019

«Ein Mensch glaubt im Grunde nicht an das Glaubensbekenntnis, das er aufsagt, sondern nur an das, wofür er zu sterben bereit wäre. Die Christen der Untergrundkirche haben bewiesen, dass sie bereit sind, für den Glauben zu sterben.» (Richard Wurmbrand)

Richard Wurmbrand erblickt am 24. März 1909 in Bukarest das Licht der Welt. Als vierter Sohn eines Zahnarztes einer deutsch-jüdischen Familie erlebt er in seinen ersten Lebensjahren Wohlstand. Die Familie übersiedelt nach Istanbul; als er neun Jahre alt ist, stirbt sein Vater. Richard und seine Familie kehren nach Bukarest zurück, wo sie verarmen.

Auf der Suche nach Glück

In seinen Jugendjahren hat Wurmbrand nur ein Ziel: später gutes Geld zu verdienen. Schon als junger Mann wird er ein erfolgreicher Börsenmakler und lebt in Saus und Braus. Nachtclubs, laute Musik, Alkohol und Frauen werden sein scheinbares Glück.

Ein jüdisch-orthodoxes Mädchen namens Sabina Oster aus Bukarest studiert in Paris an der Sorbonne. Nach zwei Studienjahren in Paris kehrt sie für die Ferien nach Hause zurück. Dort trifft sie Richard, sie verlieben sich ineinander. Im Jahre 1936 heiraten die beiden. Das Paar führt ein ausgelassenes und freizügiges Leben in einer offenen Ehe. Sie finden nichts dabei, für sie gibt es nur das Heute und Jetzt und die eigenen Bedürfnisse. Gott existiert nur in den Köpfen mancher Leute, aber nicht in der Realität und schon gar nicht in ihrem Leben.

Der ausschweifende Lebensstil hat seinen Preis: Richard erkrankt am Ende des ersten Ehejahres an Tuberkulose, was in den 1930er-Jahren einem Todesurteil gleichkommt. Er wird in ein Sanatorium gebracht. Sabina besucht ihren Mann alle zwei Wochen. Schon bald merkt sie, dass er sich zu verändern beginnt. Mit Entsetzen sieht sie auf seinem Nachtkästchen ein Neues Testament liegen. Sabina hasst alles, was mit dem Christentum zusammenhängt, und ist am Boden zerstört. Richard hingegen ist in der Einsamkeit der Berge gezwungen, zur Ruhe zu kommen. In dem Ort, in dem sich das Sanatorium befindet, lebt ein altes Ehepaar, Christian Wölfkes und seine Frau. Seit Jahren beten die beiden, dass Gott ihnen die Gnade schenken möge, einem Juden das Evangelium zu erklären und ihn zu Jesus zu führen. In dem abgelegenen Dorf gibt es keine Juden. Aber Christian und seine Frau hören dennoch nicht auf, dafür zu beten. Auf wunderbare Weise treffen Christian und Richard auf der Strasse zusammen und befreunden sich. Christian erzählt Richard von seinem Gebet. Der junge Mann ist fasziniert davon und beginnt das erste Mal leise zu ahnen, dass es doch einen Gott geben könnte.

Neues Leben

Nach und nach werden Richards Körper und auch seine Seele gesünder, und eines Tages übergibt er sein Leben Jesus. Das versetzt Sabina in Panik. Sie hat Angst, ihren Mann zu verlieren. Am Tag, als er sich taufen lässt, sperrt sie sich zuhause ein und will sich das Leben nehmen. Doch auf wundersame Art und Weise wird sie davon abgehalten. Richard ist erschüttert, als er davon hört. Nach einigen Kämpfen übergibt auch Sabina ihr Leben Jesus.

1938 eröffnet Wurmbrand seiner Frau, dass er Pastor werden möchte. Im selben Jahr wird ihr Sohn Mihai geboren.

Die Verfolgung beginnt

Kurz darauf wird der Nationalsozialismus in Rumänien zum Thema und damit auch die Judenverfolgung. Das nationalsozialistische Gedankengut verändert das Leben in Rumänien. Die faschistische, stark antisemitisch geprägte Bewegung «Eiserne Garde» fasst immer mehr Fuss und benutzt Mitglieder der orthodoxen Kirche für ihre Zwecke. Wurmbrand ist ein geradliniger und konsequenter Mensch, das drückt sich auch in seinen Predigten aus. Schon bald hat er nicht nur eine begeisterte Zuhörerschaft im ganzen Land, sondern wird zum Feindbild für das Regime. Trotzdem, gestärkt durch Gottes Kraft, schweigen Richard und Sabina nicht über ihren Glauben an die Bibel.

Im Jahre 1940 verschlechtert sich die Situation in Rumänien, und so muss auch die Missionsgesellschaft, in der Richard dient, das Land verlassen. Wurmbrand ist nun auf sich allein gestellt. Seine Beliebtheit als Prediger zieht in Rumänien immer weitere Kreise. Er missioniert in Gefängnissen, Bordellen und Kneipen, arbeitet für norwegische, schwedische und britische Missionsgesellschaften und spielt eine zentrale Rolle bei der Entstehung der rumänischen christlichen Untergrundbewegung. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs hat Richard über hunderttausend russische Neue Testamente drucken lassen und unter den kommunistischen Truppen in Rumänien verteilt.

Sabina erfährt einen dramatischen Schicksalsschlag. Ihre Eltern, ihre drei Schwestern und ihr kleiner Bruder werden deportiert und sterben in einem Konzentrationslager. Einige Zeit später trifft Richard auf den Mörder ihrer Familie und führt ihn zu Jesus. Der Mann ist erschüttert, dass Sabina ihm vergibt.

1944 nähert sich die russische Armee Bukarest. Richard und Sabina machen sich sofort auf den Weg und verteilen trotz der Gefahr Bibeln an russische Soldaten. Die rumänische Bevölkerung erwartet sich von den Russen einen Befreiungsschlag nach den bitteren Kriegsjahren. Doch es wird noch schlimmer als zuvor. Orthodoxe und Protestanten lassen sich vom kommunistischen Gedankengut beeinflussen, manche Priester werden Mitglieder der Geheimpolizei. Mutig ergreift Wurmbrand auf dem von den Kommunisten unterstützten «Kongress der Religionen», der im Radio übertragen wird, das Wort. Im letzten Moment kann er vor der Wut der anwesenden Parteifunktionäre fliehen. Sein Mut hat so manchem Christen die Augen über den Kommunismus geöffnet; mit seiner Sicherheit ist es aber nun endgültig vorbei.

Wurmbrands stark wachsende Gemeinde wird ins Visier genommen. Die Versammlungen werden durch Pfiffe, Zwischenrufe und Lärm gezielt gestört. Daraufhin starten die Wurmbrands mit einem Strassenpredigtdienst. Als die Arbeit immer schwieriger wird, geht Richard gemeinsam mit anderen treuen Christen in den Untergrund. Er bekleidet offiziell angesehene Ämter als Pfarrer der norwegischen lutherischen Mission, nebenbei baut das Ehepaar über eine Untergrundkirche eine effektive und intensive Missionsarbeit unter den russischen Besatzungssoldaten und dem unterdrückten rumänischen Volk auf.

Verhaftung

1947 beginnt eine Verhaftungswelle. Viele Juden fliehen. Der Terror erfasst das ganze Land. Wohnungen werden geplündert und Menschen in als Lieferwagen getarnten Autos abgeführt. Auch Richard wird festgenommen, aber nach kurzer Zeit wieder freigelassen. Immer stärker wächst auch bei den Wurmbrands der Wunsch, Rumänien zu verlassen. Doch sie wollen die anderen Christen nicht alleine lassen. In der Zeit, die auf die Entscheidung, zu bleiben, folgt, drücken Richard und Sabina Rumänien den Stempel Christi auf. Sie tarnen christliche Schriften als kommunistische Propagandabroschüren und verteilen sie in Cafés und auf der Strasse. Sie beherbergen Waisenkinder, Ex-Nazis, Ex-Häftlinge und Christen, die vor der Verbannung nach Sibirien stehen. In einer Suppenküche geben sie täglich Hunderten Kriegsopfern zu essen, während im Land Dürre und Hunger herrschen. Ihre Gemeinde in Bukarest wächst – die Wut des Regimes gegen sie ebenfalls. Am 29. Februar 1948 passiert es dann: Richard wird auf dem Weg zum Gottesdienst von der Geheimpolizei verhaftet. Er bekommt einen neuen Namen: Vasile Georgescu und wird in ein unterirdisches Verlies gebracht. Als Richard in der Stille der Zelle sitzt, beginnt er Gott anzubeten und ihm zu danken, dass er ihn an diesen Ort gebracht hat, um hier ein Zeugnis zu sein.

Als Ehefrau eines politisch Gefangenen erhält Sabina keine Lebensmittelkarten und keine Arbeitsstelle mehr. Monatelang sucht sie nach ihrem Mann. Einen Richard Wurmbrand gibt es jedoch auf keiner Liste.

Am 14. Mai 1948 wird der neue Staat Israel ausgerufen – eine grosse Ermutigung für die Judenchristin Sabina. Sie denkt, wenn Gott fast 2600 Jahre nach Jeremia sein Volk nach Hause holen kann, dann vermag er auch Richard aus dem Gefängnis zu holen. Doch schon wie in der Babylonischen Gefangenschaft ist der Weg ins verheissene Land schwierig. Die kommunistischen Machthaber halten die Bevölkerung Rumäniens eisern im Griff. Auch viele nicht jüdische Rumänen werden verhaftet und verschwinden für immer.

Richards Leidenszeit

Sabina macht sich grosse Sorgen, dass ihr geliebter Mann unter den Foltermethoden, die in den rumänischen Gefängnissen gang und gäbe sind, seinem entschlossenen Glauben absagen könnte. Doch sie weiss auch um Richards Überzeugung: «Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, doch die Seele nicht töten können» (Matth. 10,28). Später soll sie erfahren, dass Richards Stärke in verzagten Stunden im Gefängnis jene Bibelverse waren, die er fest in seinem Herzen hatte.

Wurmbrand verfügt über eine mächtige Waffe. Jahrelang hat er sich auf seine Inhaftierung vorbereitet. So wie ein guter Soldat in Friedenszeiten, trainierte er für den Ernstfall seinen Geist und seinen Körper auf mögliche Verhöre, Folter und Unterernährung. Am Tag seiner Entführung war er in bester Verfassung, um Schläge, verbale Angriffe und das allgemeine Elend in der Zelle zu ertragen.

Richard muss sich endlosen Verhören unterziehen, in denen er zum Ärger der Justizbeamten klar Zeugnis gibt. Er geht durch tiefe innere und äussere Kämpfe. Mit den Monaten werden die Folterungen immer grausamer und menschenunwürdiger. Wurmbrand wird bis zur Bewusstlosigkeit geschlagen und getreten. Zu essen bekommt er manchmal nur eine Scheibe Brot in der Woche. Um seine Sinne zu verwirren, wird er mit Medikamenten vollgestopft. Richard betet viel und fängt an, Predigten im Kopf vorzubereiten und sie nachts in der Zelle auf und ab gehend vorzutragen. Gott macht Unmögliches möglich: Die Stille in der Zelle, die Wurmbrand zunächst unerträglich erscheint, wird zu seiner Kraftquelle. Er nimmt sich vor, seine Peiniger zu lieben – nicht so, wie sie hätten sein sollen, sondern so, wie sie sind. Viele Jahre später werden tatsächlich zahlreiche von Wurmbrands Verhörbeamten Christen.

Sabinas Gefangenschaft

Bald danach wird auch Sabina mitten in der Nacht von der Geheimpolizei abgeholt. Auch sie wird auf grausamste Art und Weise gefoltert. Voller Sorge um ihren Sohn Mihai, der nun weder Vater noch Mutter hat, lässt sie sich von ihrem geliebten Heiland durch diese Monate tragen. Anschliessend wird sie ohne Prozess zu vierundzwanzig Monaten Arbeitslager verurteilt.

Lesen Sie den ganzen Bericht in ethos 08/2019.