Es reicht nicht, sich vorzunehmen, die Angst abzustellen und sich keine Sorgen zu machen. Dafür sind die Gedankenkreise zu mächtig. Wie findet die Seele Ruhe?
Dr. med. Matthias Klaus
1. September 2023

Das Herz schlägt schnell, der Brustkorb schnürt sich zu, Schweiss bildet sich auf der Stirn, die Hände werden feucht und zittern, die Atmung geht schneller, das Sehen wird verschwommen, ein Gefühl der Übelkeit steigt auf: Angst greift um sich. Der Körper ist in höchste Alarmbereitschaft versetzt.

Die beschriebene Reaktion tritt normalerweise in Gefahrensituationen auf, z. B. wenn Sie sich in der lebensbedrohlichen Situation befinden, in einen Abgrund zu stürzen. Häufig kommt es jedoch zu einer solchen Angst­reaktion, obwohl äusserlich keine Gefahr droht. Eine derartig starke Reaktion ohne objektive Gefahr nennt man Panikattacke. Die in diesem Zusammenhang erlebte Angst ist jedoch genauso bedrohlich und real.

Wie kommt es zu Panikattacken?

Angst ist die Reaktion auf eine Gefahr, der wir hilflos ausgeliefert sind. Diese Gefahren müssen dabei nicht real sein, sondern können auch aus unserer Vorstellungswelt entspringen. Vielleicht sind Ihnen einige der folgenden Gedankengänge vertraut: «Was, wenn ich während der Autofahrt einen Herzinfarkt erleide? Was, wenn meinem Kind auf dem Schulweg etwas zustösst? Was, wenn mein Sohn später mal Drogen nimmt? Was, wenn ich mich während der Klausur an nichts mehr erinnern kann?» Es gibt unzählig viele bedrohliche Szenarien, die wir uns vorstellen können. Mögliche Situationen, die potenziell eintreten könnten und die uns Angst machen. Das Problem daran ist, dass unsere Gedanken nicht folgenlos bleiben. Je häufiger wir sorgenvolle Gedanken wälzen, desto stärker werden die «Sorgen-Autobahnen» in unserem Gehirn ausgeprägt. Es reichen immer geringere Auslöser, um den nächsten Sorgengedanken zu initiieren. Kennzeichnend ist die Frage: «Was wäre, wenn?»

Sorgengedanken versetzen unseren Körper in Alarmbereitschaft – denn schliesslich droht eine Gefahr! Unser Körper unterscheidet nicht zwischen vorgestellten und wirklichen Gefahren. So wappnet er uns vor der anstehenden Gefahr, indem er das «Achtung, eine Gefahr droht»-Programm abruft und immer mehr Stresshormone ausschüttet. Da die vermeintliche Bedrohung aufgrund der immer wiederkehrenden Sorgengedanken anhält, kommt es zu zahlreichen Auswirkungen auf Seele und Körper: eine innere Unruhe und Anspannung macht sich breit, Gedankenkreise können (v. a. in der Nacht) nicht beendet werden, gelegentlich treten Panikattacken auf. Wenn dieser Zustand über einen längeren Zeitraum anhält, gesellen sich Konzentrationsschwierigkeiten und Gefühle von Hilflosigkeit hinzu. Die Angst hat uns im Griff! Körperliche Symptome wie Muskelverspannungen, Kopfschmerzen, gastro­intestinale Beschwerden oder Schlafstörungen treten häufig ebenfalls auf.
 
Falsche Auswege aus der Angst

Wie findet man aus der permanenten inneren Unruhe und Schlaflosigkeit heraus? Stark ist der Wunsch, die Symptome loszuwerden, sie möglichst rasch wegzudrücken, um wieder «normal» leben zu können. Die Schlaflosigkeit wird mit Schlafmitteln bekämpft, die innere Unruhe mit Antidepressiva. Es kann hilfreich sein, einzelne körperliche Beschwerden mit Medikamenten zu behandeln. Zuweilen ist es notwendig, eine schwere Ein- oder Durchschlafstörung oder aufkommende Panikattacken eine Zeit lang mit Medikamenten zu behandeln, um überhaupt in der Lage zu sein, klare Gedanken zu fassen und für Gespräche zugänglich zu sein. Dazu gehören Benzodiazepine, Antihistaminika, Betablocker oder auch pflanzliche Mittel wie Baldrian oder Hopfen – immer in dem Wissen, dass es dabei nur um die Symptombehandlung geht.
Das anhaltende Angstgefühl ist zuweilen so stark, dass der Konsum von Alkohol oder Cannabis als einziger Ausweg erachtet wird – ungeachtet der hierdurch entstehenden neuen Probleme wie Sucht oder durch Cannabis induzierte Psychosen.

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