Nach über 30 Jahren harmonischer Ehe ist Gabi nun allein. Ihr Mann Günter starb im Januar 2021 an Krebs (siehe Interview ethos 2/21). Die Zeit seit dem Abschied ist schwer, gefüllt mit Trauer, Tränen und Schmerz. Meine Freundin gibt mir einen Blick in ihr Innerstes.
Sabine Kähler
22. Juni 2022

Manchmal erscheint mir die Trauer wie ein nicht enden wollender Schmerz. Die Leere ist nicht zu füllen. Plötzlich ist alles anders in meinem Leben.

Mein Vertrauensmensch fehlt. Der, bei dem ich sein konnte, wie ich bin und der mich so gut kannte wie kein anderer.
Mein Ratgeber fehlt, der mir Hilfestellung gab, wenn ich nicht mehr weiterwusste.
Mein Glaubensbruder hat mich verlassen. Mit ihm konnte ich beten, mich austauschen über Bibelstellen oder die Predigt am Sonntag.
Mein Freizeitpartner fehlt – mit wem werde ich in den Urlaub fahren? Mit wem meine Hobbys teilen?
Ich bin beim Essen allein. Kein Austausch mehr über die leckere Mahlzeit, ob zu Hause oder im Restaurant.
Es war so selbstverständlich, so schön. Günter war mein Freud-und-Leid-Teiler, mein Finanzberater und mein Liebhaber.
Keiner sagt mehr zu mir: «Ich liebe dich.»

Nach so vielen Jahren Gemeinsamkeit fällt das Alleinsein so schwer. Ich kannte diesen Schmerz bisher nicht in diesem Masse und kann nun besser mitfühlen, wie es anderen Einsamen und Singles manchmal ergehen muss.

Einmal war ich zum Essen eingeladen. Es war ein schönes Zusammensein im Garten der Familie, doch schliesslich war es Zeit, wieder nach Hause zu fahren. Ich wurde noch ans Auto begleitet und merkte, wie mich die Situation total überforderte. Eine einstündige Fahrt lag vor mir – allein. Ich wusste, auch wenn ich nachher daheim ankomme, werde ich allein sein. Es war eine furchtbare Rückfahrt.

Eine andere liebe Freundin sagte zu mir: «Gabi, wenn du einsam bist, dann komm doch einfach zu uns. Wenn du nicht allein essen möchtest, dann komme zu uns – hier bist du immer willkommen. Du kannst auch jederzeit bei uns übernachten.» Wie lieb von ihr, ich weiss, sie hat es ernst gemeint. Aber ich habe das Angebot nicht angenommen. Obwohl ich es ihr von Herzen gönne, war es schwer für mich zu sehen: Sie hat ihren Mann noch, ich nicht. Mir fiel es leichter, wenn sie zu mir kam, wir gemeinsam Essen gingen und ich danach nicht allein nach Hause musste.

Besonders schwer war es für mich, nach dem Tod von Günter wieder in den Gottesdienst zu gehen. Jeder sass aufgrund der Corona-Vorschriften mit Abstand zum Nächsten, nur Familien durften zusammensitzen. Ich hatte keinen Mann mehr neben mir. Dann kommt ein Lied, in dem es zum Beispiel um Ewigkeit geht, und die Tränen fliessen wieder.

Manchmal fühlte ich mich beobachtet – wie reagiert sie? Weint sie?

Mir hätte es vor allem anfangs geholfen, wenn ich jemanden gehabt hätte, der bei mir sitzt und mich vielleicht sogar zum Gottesdienst abholt. Corona hin oder her, es wäre schön gewesen, einen Menschen an meiner Seite zu haben, denn so fühlte ich mich trotz der Gemeinschaft einsam. Ich kam aus der Einsamkeit zu Hause, ging in den Gottesdienst und war trotzdem allein. Das war schwer.
Doch Gott war da. Oft durfte ich in dieser Situation Seine Nähe spüren, als sässe er direkt neben mir. Er war da. Das hat mich getröstet.

In all dem Schmerz erlebte ich Gott wie noch nie zuvor in meinem Leben. Er ist real, immer wieder sprach er zu meinem Herzen. Er ist mir begegnet und hat mich getragen – und er hält mich auch jetzt noch. Vor Günter’s Tod hätte ich es nicht für möglich gehalten, Gott so zu erleben.

Lesen Sie den ganzen Artikel in ethos 07/2022