ethos im Gespräch mit Amiira Ann, Autorin des gleichnamigen Buches.
Daniela Wagner
19. Oktober 2016

Sie lebten mit Ihrem Mann und den beiden Söhnen als deutsche Familie fast sieben Jahre im Jemen, kein häufiges Auswanderungsland für Europäer ...
Bevor wir in den Jemen auswanderten, waren wir zwei Mal zu Besuchen dort. Wir spürten, dass dort unsere Berufung war, obwohl uns klar war, dass es nicht immer einfach sein würde.

Manchmal hetzten die Moscheen gegen uns. Nach einem Anschlag auf unser Haus mussten wir evakuiert werden und es war lange unklar, ob wir zurück könnten. Auch unsere Kinder waren öfters schwer krank. In den Herausforderungen war unser Vertrauen immer wieder gefragt! Wir hatten «Notfallpläne» und mussten ständig bereit sein, vielleicht das Land doch kurzfristig verlassen zu müssen.

Nach einem Unfall schoss jemand aus dem hinter uns fahrenden Auto auf uns.

Im ersten Jahr verloren wir ein Kind, doch dann hat Gott uns noch einen Sohn geschenkt, der dort geboren wurde.

Schon vor dem Bürgerkrieg, der 2015 ausbrach, befand sich das Land in einer humanitären Katastrophe. Was prägt momentan den Alltag? Welches sind die grössten Nöte und Sorgen der Bevölkerung?
Der Alltag ist inzwischen für die Jemeniten ein Überlebenskampf, geprägt von Hunger, täglichem Bombenhagel, Arbeitslosigkeit und Armut. Es gibt überall Militär und schon von Kindesbeinen an sind alle männlichen Jemeniten bewaffnet. Spielende Kinder können jederzeit von einem Granatsplitter getroffen werden. Wir können uns hier überhaupt nicht vorstellen, wie die Menschen dort leben! Die Wirtschaft ist komplett zusammengebrochen. Es herrscht Chaos in grösstem Ausmass. Über 80 Prozent hungern und es gibt keine Sozialversorgungen.
(mehr Infos dazu unter: http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Jemen/Wirtschaft_node.html)

Weshalb hört man bei uns in den Medien so wenig vom Jemen, obwohl das Elend gross, die Verwüstung unvorstellbar ist und ein Krieg tobt?
Dass die weltgrösste Katastrophe im Jemen totgeschwiegen wird, hängt mit Pressezensur und Kontrolle durch die ölreichen Golfstaaten wie Saudi-Arabien zusammen. Westliche Länder und Presseagenturen wollen Ärger und finanzielle Einbussen vermeiden, nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen. Die jemenitischen Bodenschätze und Ölvorkommen können wegen der miserablen Sicherheitslage nicht gefördert werden.

Es gibt fast nur Muslime im Jemen, die Frauen sind tief verschleiert. Was für Erfahrungen haben Sie als Frau gemacht?
Am Anfang musste ich mich erst dran gewöhnen, dass Frauen in der Öffentlichkeit fast schwarz sind, sogar mit Gesichtsschleier, Handschuhen und Socken, damit man ja keine Haut sieht.

Ich selber habe meine Haare auch verschleiert, einfach um mich solidarisch zu erklären und einen Zugang zu den Frauen zu ermöglichen. Als unverschleierte Frau bekommt man nur Kontakt mit Männern. Die Blicke und Hintergedanken sind aber in so einem extrem islamischen Land «dementsprechend» ...

Der Titel Ihres Buches lautet «Sonnenaufgang im Todestal». Darin schwingt Hoffnung mit. Worin sehen Sie die?
Wir haben erlebt, dass Menschen neuen Lebensmut und Hoffnung schöpften, wie Muslime ins Fragen kamen und für sie die Sonne aufging, wenn sich ihre Einstellung veränderte und sie einen Sinn in ihrem Leben entdeckten. Obwohl sie wissen, dass sie Kopf und Kragen riskieren, gehen sie fröhlich dieses Risiko ein, mit Jesus zu leben.

Trotz Widerstand seitens der Regierung wächst die Zahl der Menschen, die Jesus Christus als ihren Herrn und Heiland annehmen. Womit müssen Christen rechnen?
Es ist weniger die Regierung, als einzelne radikale Muslime, die den Islam gerne ausbreiten möchten, notfalls eben mit Gewalt. Extremisten gibt es wie in Irak und Syrien auch in anderen islamischen Ländern. Im Jemen heisst diese Islamisten-Gruppe Al-Qaida.

Christen müssen mit Verfolgung rechnen. Sie werden von ihren Familien ausgeschlossen und manche sogar gequält oder erschossen.

Erst im Herbst 2015 wurde ein Freund, der für Jesus brannte, vor den Augen seiner Frau und seiner Kinder erschossen. Darüber berichten die Medien hier im Westen nicht. Um den Stimmlosen eine Stimme zu verleihen, habe ich das Buch geschrieben.

(Interviewauszug aus ethos 10/2016)