In Indien muss eine Frau um ihre Würde kämpfen. Ihr bunter Sari ist wohl mehr als nur Ausdruck weiblicher Schönheit und Anmut. Eine Art Schutzpanzer, der eine Portion Selbstwert zurückgibt?
Tabitah Bühne
21. Juli 2017

Auf Anhieb haben mich die Frauen in Indien begeistert. Sie nörgeln wenig, lächeln fast immer zurück, sind taff und herzlich. Egal, ob sie mit Kind im Arm auf dem Bau arbeiten oder als millionenschwere Geschäftsfrau bei einem Wirtschaftsforum auftreten – sie lassen es sich nicht nehmen, dabei herrlich bunte Gewänder zu tragen. Und es wirkt nicht aufgesetzt oder eitel, sondern ganz normal, natürlich, weiblich. Sie haben keine Angst vor viel Stoff, knalligen Farben und jeder Menge Glitzer. Im Gegenteil: je bunter, desto besser!


Indische Mode: Hauptsache, es glitzert

Ich teile die modische Farbenfreude – in Deutschland wurde ich deshalb öfter schräg angeschaut oder für meinen Mut bewundert. Ich liebe Farben. Sie drücken Lebensfreude aus und stecken andere mit guter Laune an. Was ich allerdings bisher so gar nicht kannte, ist die Begeisterung für Kleider. Es kommt äusserst selten vor, dass ich mal ein Kleid trage. In Jeans und T-Shirt fühle ich mich einfach wohler. Das ist praktischer, und man muss weniger aufpassen, wie man sich hinsetzt. Ausserdem bin ich mit Jungs aufgewachsen – beim Fussballspielen machen Röcke einfach keinen Sinn. Als Erwachsene galt es dann, als weibliche Führungskraft unter Männern zu bestehen. Dementsprechend sah mein Kleidungsstil aus. Doch als ich mich hier in Delhi mit einer Geschäftsfrau anzufreunden begann, fiel mir auf, dass sie immer in traditionellen Kleidern auftaucht und trotzdem Stärke ausstrahlt. Sie trägt ihren Sari (ein traditionelles Kleidungsstück) auch in Europa und Amerika, weil sie davon überzeugt ist, dass wir Frauen etwas falsch machen, «wenn wir uns wie Männer anziehen, um ernst genommen zu werden».

(Artikelauszug aus ethos 7/2017)