Elisabeth und Martin Gut haben drei Kinder, drei Schwiegerkinder und acht Enkel. Im Gespräch mit ethos erzählen sie über diese unterschiedlichen Rollen und wie eine schwere Erbkrankheit noch mehr Segen ins Grossfamilien-Miteinander brachte.
Daniela Wagner
25. April 2017

Für jeden Beruf gibt es eine Ausbildung, für Elternschaft nicht. Wie meistert man diese Aufgabe überhaupt?

Elisabeth: Ich habe während der Kindererziehung oft über mein Unvermögen geweint und immer wieder gebetet: «Herr, du musst mir helfen, ich kann das nicht alleine.» Martin und ich baten Gott, dass die Fehler, die wir in der Erziehung machen, unseren Kindern nicht zum Schaden werden. Das war uns ein grosses Gebetsanliegen. Gott hat geholfen, unsere Gebete erhört; wir sind dankbar und wollen ihn dafür loben.

Martin: In Büchern findet man viele gute Erziehungsgrundsätze. Es war uns aber klar, dass die Umsetzung nicht eins zu eins übernommen werden kann, weil die Kinder einfach zu verschieden sind. So individuell das Kind, so individuell das Wie. Früh begannen wir deshalb, Gott um Weisheit zu bitten, damit wir jedem gerecht werden, wenigstens einigermassen ... Das Ziel ist klar, doch jedes Kind muss anders abgeholt werden. Man möchte alle drei gleich behandeln, gerät aber in den Konflikt, dass man das nicht kann.

Elisabeth: Kinder sind ein Geschenk auf Zeit. Unsere Aufgabe als Eltern ist es, sie so zu erziehen, dass sie zu seelisch gesunden, liebesfähigen Menschen heranwachsen. Unsere Liebe zu ihnen muss für sie unumstösslich sicher sein. Bedingungslos lieben, so wie Gott uns liebt, schaffen wir nicht alleine. Es ist eine lebenslange Aufgabe und Herausforderung und diese Fähigkeit muss man sich immer wieder schenken lassen.

 

Inzwischen seid ihr auch dreifache Schwiegereltern. In dem Wort steckt viel Konfliktstoff. Habt ihr euch vorher mit dieser Aufgabe auseinandergesetzt, vielleicht aufgrund eigener Erfahrungen?

Martin: Ich hatte eine wunderbare Schwiegermutter. Sie zeigte mir ihre Zuneigung vom ersten Augenblick an. Insofern freute ich mich auf meine Aufgabe als Schwiegervater, ohne vorbelastet zu sein.

Elisabeth: Bei mir war es schwieriger. Mit 21 Jahren kam ich in die neue Familie, nachdem Martin einige Monate vorher eine Verlobung aufgelöst hatte ... Das war natürlich nicht gerade ideal. Ich fühlte mich unsicher, mir fehlte das Gefühl des Angenommenseins und der Wärme. Die Eltern von Martin arbeiteten viel und hatten wenig Zeit. Beide waren starke Persönlichkeiten, die schlecht andere Meinungen gelten lassen konnten. Ich vermisste es, eine tiefe Beziehung mit ihnen zu leben. Früh hatte ich mir vorgenommen, das, was ich in der Kindheit und auch später an «Leiden» erlebte, nicht zu vergessen, um es bei meinen eigenen Kindern und Schwiegerkindern besser zu machen. Ich hätte gerne gewusst, was meine Schwiegermutter von mir dachte. Heute sage ich meinen Schwiegerkindern, was ich an ihnen schätze, was sie mir bedeuten. Mein Vorsatz ist: Ich will meine Schwiegerkinder annehmen, sie liebhaben, wie sie sind. Die eigenen Kinder kann man sich auch nicht aussuchen. Und das Wichtigste: viel für sie beten! Wir Schwiegermütter müssen mit gutem Beispiel vorangehen. Weil wir älter sind, sollten wir weiser sein und nicht erwarten, sondern geben, uns nicht zum Mass aller Dinge machen. Menschen kommen aus unterschiedlichen Hintergründen. Geduld haben und warten können ist wichtig. Natürlich habe auch ich Fehler
gemacht! Ich war wohl auch nicht die Schwiegertochter, die ich hätte sein sollen, denn ich erwartete zu viel von meiner Schwiegermutter und liess mich allzu sehr verunsichern. Sie stammte aus einer anderen Generation, in der Kinder wenig bis gar keine Zärtlichkeit
erfahren haben und niemand ihnen gesagt hat, dass man sie liebt. In den letzten Jahren vor ihrem Tod habe ich mich bewusst bemüht, meine Schwiegermutter anzunehmen, ihr liebevoll zu begegnen, und wir hatten einige sehr gute Gespräche und schöne Begegnungen. Ich musste mich zuerst verändern lassen! Heute vermisse ich sie und würde gerne nochmals mit ihr reden können.

Martin: Auch die Schwiegerkinder bringen ihre Vergangenheit mit, haben vielleicht auch Schweres erlebt. Durch Gebet und Liebe werden sie offener, fühlen sich angenommen und sicherer. Dranbleiben, beten, Geduld üben und das Wohl des andern im Blick haben – das war und ist mir stets wichtig. Dazu gehört auch, die eigenen Kinder mit ihrem Partner ziehen zu lassen. Es ist ihr Leben, sie sind für ihr Handeln selbst verantwortlich. Wenn wir etwas nicht so toll finden, beten wir dafür, halten aber (meistens) den Mund.

 

Sagt ihr den eigenen Kindern, wenn ihr etwas nicht gut findet?

Elisabeth: Wenn wir etwas in einem Gespräch streifen oder um Rat gefragt werden, dann sage ich natürlich meine Meinung. Grundsätzlich aber versuche ich – es gelingt mir nicht immer – mich nicht einzumischen.

Martin: Ich spreche manches schon an, aber ich habe es gelernt, weniger gegen etwas zu sein, sondern vielmehr zu fragen: «Sag mal, hast du dies oder jenes auch gut bedacht? Was hat dich dazu bewogen?» Interesse zeigen, den andern ernst nehmen, damit ist ein Fundament gelegt, auf dem man miteinander reden kann. Auf dieser Basis kann ich auch meine Meinung einbringen.

 

Sich emotional abzugrenzen und auch die Sorge um das Glaubensleben der Kinder an Gott abzugeben – nicht immer einfach, oder?

Elisabeth: Mir ging es in Bezug auf die Erziehung der Enkel so. Wir haben ja diesbezüglich inzwischen einen recht grossen Erfahrungsschatz. Da mussten wir lernen, Zurückhaltung zu üben. Unsere drei Kinder und ihre Partner verwenden unterschiedliche Erziehungsstile. Es gibt eben verschiedene Wege! Wenn ich nun aber das Resultat anschaue, stelle ich fest, dass alle drei Familien tolle Kinder haben und die Sache bis jetzt sehr gut gemacht haben. Obwohl meine Mutter mit sechs Kindern sehr wenig Zeit und ein arbeits-
reiches Leben hatte, war ihr Haushalt fast perfekt. Andere Dinge erachte ich jedoch als viel wichtiger.

(Artikelauszug aus ethos 4/2017)