Ungläubig und erschrocken starrte ich auf die beiden Kleber an der Haustür unseres Nachbarn, Herrn W. «Amtlich versiegelt», las ich. Was war nur passiert? Die schlimmsten Vermutungen rasten mir durch den Kopf.
Nein, nein, nein, das konnte doch nicht wahr sein! W. war ein alleinstehender, freundlicher, aber zurückgezogener Mann mittleren Alters. Nie sah ich jemand in seiner Begleitung. Trotzdem schien er immer gut gelaunt, hatte stets ein Lächeln oder ein freundliches Wort für mich. «Nur nicht übertreiben», rief er mir augenzwinkernd zu, wenn er mich beim Fensterputzen sah. Abends machte er regelmässig einen Spaziergang um das kleine Biotop nahe bei unserem Wohnblock. Ich sah ihn dann zwar nicht, hörte jedoch immer, wie er ein kleines Lied vor sich hin pfiff.
«Was ist mit W.? Wissen Sie etwas?», fragten mich die anderen Nachbarn. Wir durchforschten Todesanzeigen, Amtsblätter, etc. ohne Erfolg. Und immer noch starrten mich die Kleber an W.’s Haustür an. Wenn ich mit dem Hund spazieren ging, erblickte ich die Pflanze auf W.’s Balkon, die von Tag zu Tag trauriger aussah. Niemand kam, alles blieb unverändert. Schliesslich hörten wir von einem Nachbarn, was passiert war: W. erlitt in seinen Ferien am Meer einen Herzinfarkt und war dort verstorben.
Ich bin traurig. Traurig, weil ich es nicht fassen kann. W. war doch so lebendig! Wie kann er einfach tot sein? Kein Pfeifen am Abend beim Teich mehr? Kein humorvolles Wort von ihm? Tot! Endgültig. Wie seine Pflanze auf dem Balkon. Plötzlich und unfassbar.
«Niemand hat ihn gekannt», bemerkte eine Nachbarin, fast als sei das seine Schuld. Stattdessen dachte ich, ich hätte mich mehr um ihn kümmern sollen, nachfragen, wie es ihm geht, ihn zu einem Kaffee einladen. Zu spät! Amtlich versiegelt! Die Tür ist verschlossen.
«... und wie es den Menschen gesetzt ist, einmal zu sterben, darnach aber das Gericht» (Hebr. 9,27). Keine Chance mehr. Jesus hat die ganze Zeit erfolglos angeklopft, und jetzt ist die Tür versiegelt.
«Siehe, jetzt ist der Tag des Heils!» (2. Kor. 6,2). Jetzt ist noch Gnadenzeit, dann das Gericht. Heute können wir noch Entscheidungen treffen, Menschen mit dem Evangelium bekannt machen, das Leben wählen.
«Ich nehme Himmel und Erde heute über euch zu Zeugen: Ich habe euch Leben und Tod, Segen und Fluch vorgelegt, dass du das Leben erwählest und du und dein Same leben mögt» (5. Mose 30,19).
Gott möchte uns versiegeln, versiegeln mit dem Heiligen Geist für ewiges Leben in seiner Gegenwart.
Eines Tages wird ein himmlisches Buch aufgeschlagen – das Lebensbuch des Lammes:
«Und nichts Unreines wird hineinkommen und keiner, der Gräuel tut und Lüge, sondern die geschrieben sind in dem Lebensbuch des Lammes» (Off. 21,27).
Sind Sie «amtlich versiegelt», eingetragen in das Lebensbuch des Lammes? Noch können Sie frei entscheiden. Gott möchte nicht, dass auch nur ein einziger Mensch verloren geht. Gerade für Sie ist Jesus, das Lamm Gottes, ans Kreuz gegangen.
«In ihm seid auch ihr, die ihr das Wort der Wahrheit gehört habt, nämlich das Evangelium von eurer Rettung – in ihm seid auch ihr, als ihr gläubig wurdet, versiegelt worden mit dem Heiligen Geist, der verheissen ist, welcher ist das Unterpfand unsres Erbes, zu unsrer Erlösung, dass wir sein Eigentum würden zum Lob seiner Herrlichkeit» (Eph. 1,13–14).
Artikel aus ethos 04/2019.