«Ehe ich gedemütigt wurde ...» Ein Gespräch mit dem Aramäer Ferit Önaktug
Interview: Daniela Wagner
22. Juni 2022

Ferit, du kamst als Jugendlicher nach Deutschland. Wie hast du dich eingelebt?

Ich bin in Istanbul geboren. Als ich dreizehn Jahre alt war, flüchteten wir nach Deutschland; der grösste Teil unserer Verwandtschaft lebte schon hier. Physisch hat man uns zwar nicht verfolgt, aber auf uns lastete immer ein gewisser Druck, weil wir keine Moslems sind.
In unserem Wohnviertel wurde ich schon bald Teil einer Clique aus über zehn Nationalitäten. Bereits in jungen Jahren trank ich Alkohol und rauchte, später kam Marihuana dazu. Die Drogen wurden immer härter, immer mehr, das war ganz «normal» in dem Umfeld. Mit siebzehn Jahren zog ich von zu Hause aus. Die Ausbildung als Maurer brach ich ab, ich hatte einfach keine Lust mehr dazu – Partys waren mein Ding.

Meine Eltern bekamen davon nichts mit, ich führte ein Doppelleben. Zu meinem Vater hatte ich nie ein gutes Verhältnis gehabt, wir verstanden uns nicht. Er arbeitete viel, materiell ging es uns nicht schlecht. In meinen Augen war er ein langweiliger Mensch, der nicht zu leben wusste. Nie fand ein tieferes Gespräch zwischen uns statt. Mein Vater war syrisch orthodox, las damals schon in der Bibel – in Altaramäisch, verstehen tun das die wenigsten. Immer wieder sprach er von Gerechtigkeit. Die Frohe Botschaft einer persönlichen Beziehung mit Jesus Christus erfasste er jedoch nicht.

Das alles hat mein Leben aber ohnehin nicht tangiert. Pausenlos war ich am Feiern. Dann begann ich, Drogen zu verkaufen. Nebenbei arbeitete ich gelegentlich in einem Restaurant, hängte in Spielhallen ab. Naiv lebte ich in den Tag hinein.

Warst du glücklich?

Ja, das Wochenende war genial: ein bisschen Drogen, mit Freunden ausgehen, Diskotheken besuchen. Von harten Drogen liess ich die Finger, so schlau war ich  – ältere Freunde hatte ich schlimm enden sehen. Zugegeben, das «Glück» dauerte immer nur bis Montag. Da verfiel ich dann jeweils in leichte Depressionen, bis ich freitags wieder Gas geben konnte.

Doch so gleichförmig blieb dein Leben nicht, oder?

Nein. Meine Eltern lebten inzwischen in einer anderen Stadt und ich zog wieder zu ihnen. Neue Freunde finden war für mich kein Problem. Doch hier kam ich in ein noch schlimmeres und kriminelleres Umfeld. Ich war nur auf Dummheiten und Betrug aus, hatte mehrere Freundinnen an verschiedenen Orten gleichzeitig. Irgendwie war ich stolz darauf, nicht erwischt zu werden.

Und dann lernte ich einen Albaner kennen; für ihn sollte ich einen Koffer voller Drogen verkaufen. Ich schaffte es nicht, alles loszuwerden, es war eine grosse Menge. So musste ich meinen geleasten BMW veräussern, um an Geld zu kommen. Es war aber noch nicht genug, um meine Schulden zu begleichen.

Unglaublich, was alles parallel lief: Mit einem Partner führte ich eine Diskothek, leitete selbstständig ein Klamottengeschäft, ein Schmuckgeschäft, dealte mit Drogen – ein ekelhaftes Leben. Eigentlich brauchte ich die Drogen gar nicht, es war einfach nur Hochmut und Naivität.

Und dann schnappte die Falle zu!

Lesen Sie das ganze Interview in ethos 07/2022