ethos im Gespräch mit Daniel Herrmann – seit 44 Jahren Missionar in Frankreich.
Daniela Wagner
11. Februar 2016

Missionar in Frankreich? – Das ist doch ein christliches Land!

Die Franzosen sind ein katholisches Volk. Viele dieser liebenswürdigen Leute haben jedoch nie eine Bibel in Händen gehalten und wissen nicht, dass Gott einen wunderbaren Rettungsplan für sie hat. Deshalb ist es unser Anliegen als Missionare, dass alle in diesem Land die Bibel kennenlernen. Das menschliche Wissen (das ja so bruchstückhaft ist) wurde der Gott Frankreichs. Anstelle des Schöpfers traten Humanismus, Philosophie und die Evolutionstheorie. Gott wurde auf die Seite gestellt, deshalb haben die Franzosen keine Beziehung mehr zu einer liebenden göttlichen Autorität.

 

Wie sind Sie zum Glauben an Jesus Christus gekommen?

Meine Eltern (sie sind inzwischen heimgegangen) waren gläubige Christen und führten eine harmonische Ehe. Durch ihr Zeugnis habe ich gemerkt, dass sie an etwas glauben, was ihr Leben «markiert», auszeichnet. Dies wurde sichtbar in ihrer Haltung anderen Menschen, aber auch uns vier Kindern gegenüber, von denen ich der Jüngste bin. Mein Vater war Pastor, besuchte oft Notleidende und kümmerte sich liebevoll um Alkoholiker, die frei werden wollten.

Als Jugendlicher stellte ich mich dann voll Bitterkeit gegen Gott. Ja, ich rebellierte gegen ihn, denn Leute taten meinem Vater Böses, obwohl sie sich Christen nannten. Da ich ihn liebte, war meine Logik, diesen Verrat an ihm mit der Absage an alles, was sich christlich nannte, zu quittieren. Natürlich litten meine Eltern unter dem Weg, den ich ging, lehnte ich damit doch den ab, in dessen Abhängigkeit sie lebten und durch den sie wurden, was sie waren.

In diesen Jahren wollte ich mein Glück finden, indem ich meine Gefühle und Lüste auslebte. Ich wollte lieben und geliebt werden. Das klappte aber nicht. Bald merkte ich, dass ich einen Charakter habe, der verletzt und unglaublich hart zu andern
sein kann. So war ich unfähig, meinen eigenen Massstäben Genüge zu tun. Ich musste erkennen: Ich war ein Egoist, nur darauf bedacht, meine eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Meinem Gegenüber hatte ich nichts zu geben, deshalb fehlte mir die Freude. Schliesslich landete ich während meines Militärdienstes gar im Gefängnis. Schlagen und Stehlen waren meine Sprache geworden. In meinem Herzen wusste ich, dass ich Hilfe brauchte in meiner riesigen Not. Ich brauchte Veränderung, jemand, der mich neu machte und mich aus meiner Ichbezogenheit befreite.

Als ich 19 Jahre alt war, traf ich Nicolas. Er erklärte mir das Evangelium mit grossem Eifer und in aller Einfachheit. Darauf war ich in meinem Gewissen getroffen und so aufgewühlt, dass ich nicht mehr schlafen konnte: eine Schlaflosigkeit, die sich als die segensreichste meines Lebens erwies! In dieser Stunde der Wahrheit bekannte ich meine Auflehnung Gott gegenüber. Meine Schuld war das Problem, nicht die der anderen. Durch die Vergebung in seinem Sohn, Jesus Christus, fand ich inneren Frieden. Ich erfuhr das, wonach ich mich so gesehnt hatte: Annahme, unverdiente Liebe.

 

Weshalb sind Sie gewiss, dass Gott real ist und keine Projektion Ihrer Wünsche und Sehnsüchte?

Ich beschäftigte mich mit Philosophen, las unter anderem auch Blaise Pascal. Sein Staunen über die Wunder der Natur sagte auch mir, dass da jemand sein muss, der viel grösser ist als alles Geschaffene. Jemand, der unserem Dasein einen Sinn geben kann. Für mich war klar, dass dies jemand sein muss, der so gross ist, dass ich ihn nicht unbedingt verstehe.

Als ich Jesus aufnahm und ihm meine Sünde bekannte, bat ich ihn um die Gewissheit, dass er da ist. Er sollte mein Meister sein, damit ich durch ihn ein neues, verändertes Leben führen konnte. So geschah es. Was nicht heisst, dass ich nie mehr zweifelte. Aber immer wieder kommt eine tiefe Ruhe über mich und die Gewissheit: Was du erlebt hast mit Gott, dass du dein Leben ihm gegeben hast, ist Realität.

 

Sie kennen also Zweifel?

Klar, sie finden einen Nährboden, wenn ich unzufrieden bin. Wenn ich denke, Gott müsste Umstände und Schwierigkeiten nach meinen Vorstellungen ändern. Der Teufel existiert. Seit jeher versucht er, die Gläubigen zum Zweifel an der Güte Gottes zu verführen. Er bezweckt, dass Menschen der liebenden Autorität Gottes absagen, weil er die Herrschaft über sie möchte. Er gibt es nicht zu, dass Jesus der Sieger ist, und möchte uns glauben machen, Gott liebe uns nicht, habe uns vergessen.

 

Wie verschwinden Zweifel?

Wenn ich im Alltag andere liebe mit der Liebe, die Gott mir gibt. Wenn ich für andere lebe und Ihm mein Vertrauen und meinen Dank ausdrücke, weichen die Zweifel. Wenn wir Gottes Wort Folge leisten, erfahren wir Segen, unter anderem auch in Form von Gewissheit. Mein Glaube wurde so immer mehr gefestigt. Einem Wunder gleich, zieht ein tiefer Friede in mein Herz im Verstehen, dass Gott viel grösser ist als meine Gedanken. Ich verstehe mein Leben nicht total, nur Er hat den Überblick über die ganze Welt, über das ganze Universum.

 

Wofür leben Sie?

Ich lebe noch, damit andere Menschen die Frohe Botschaft von Jesus hören und sie auf ihrem Weg die Möglichkeit bekommen, selbst zu entscheiden, wem sie gehören wollen. Dazu müssen sie aber das Evangelium hören, jemand muss es ihnen
sagen. Ich habe Sinn darin gefunden, ein von Gott geliebtes Geschöpf zu sein, das diese Liebe andern weitergeben kann.

Umgestaltet zu werden in das Bild Jesu, ihm ähnlich zu werden, ist das Ziel. Indem ich seinem Wort gehorsam bin, ändert er mein Denken und mein Leben. Ich habe Frieden, weil ich weiss, dass mir meine Sünden vergeben sind. Unter Jesu Führung zu stehen, bringt mir die Freiheit, das Gute und Richtige zu tun. Das wollte ich früher auch, aber mir fehlte die Kraft dazu. Das Schöne ist – ich bin heute nicht mehr Sklave meiner selbst.

(Interviewauszug aus ethos 02/2016)