Jeder gute Mathelehrer sagt seinen Schülern mindestens einmal: «Die ganze Welt ist Mathematik!»
Dave Krohn
6. September 2025

Das führt dann meist zu Augenverdrehen und genervtem Stöhnen, aber so ganz Unrecht haben diese Lehrer gar nicht: Überall in dieser Welt finden wir mathematische Gesetze. Vielleicht fragst du dich jetzt: Warum eigentlich?

Man könnte diese Frage auch so formulieren: Warum unterliegt unsere Welt mathematischen Gesetzmässigkeiten? Warum gibt es physikalische Konstanten? Wenn sich bereits die Entstehung dieses Universums nach diesen Regeln und Konstanten richten musste, woher kommen dann diese Dinge? Eine mögliche Vorstellung wäre, dass die Realität chaotisch ist und es keine festgelegten Gesetze gibt, sondern einen randomisierten Wirrwarr. Oder es gibt gar keine Bewegung an sich.

Das anthropische Prinzip

Das Gegenargument ist das anthropische Prinzip. Es gibt zwei Formen: das starke und das schwache Prinzip. Beide beinhalten die folgende Überlegung: Wir können uns diese Fragen nur stellen, weil wir in einem Universum leben, das zufällig gesetzmässig ist. Wäre dem nicht so, käme auch nie der Gedanke auf, warum das so ist. Das Argument setzt somit eine Brücke zwischen der Beschaffenheit dieses Universums und unseren Gedanken. 

Stephen Hawking sieht beispielsweise eine Notwendigkeit in der Beschaffenheit dieses Universums. Selbst wenn es Gott geben sollte, wäre er laut Hawking gezwungen gewesen, das Universum genau so zu erschaffen, wie es ist. Obwohl Hawking den Gottesbegriff noch nennt, nutzen viele andere das anthropische Prinzip, um das Schöpfer-Argument auszuhebeln: Durch den Zufall bräuchte es keinen Gott als Erklärung mehr. Doch greift dieses Argument?

Alles nur Zufall? 

Die Frage nach der Beschaffenheit dieses Universums stellt sich ja gerade deshalb, weil es uns so unglaublich gut abgestimmt erscheint. Die Erklärung, dass dies dem Zufall geschuldet ist, ist eine mögliche Hypothese. Aber ist sie die plausibelste?

In der Stochastik – dem mathematischen Fachbereich, der sich mit Wahrscheinlichkeiten befasst – spricht man oft von günstigen Ereignissen. Von diesen berechnet man üblicherweise die Wahrscheinlichkeit. Nehmen wir an, wir spielen ein Spiel mit 30 Würfeln. Ich behaupte, dass das günstige Ereignis 30 Sechsen ist. Wir werfen alle Würfel gleichzeitig. Plötzlich liegen da 30 Würfel, die alle eine Sechs zeigen. Wie würdest du reagieren? Ich vermute, du würdest mich des Schummelns bezichtigen. Zu Recht! Bei einem einzigen Wurf ist dieses Ereignis sehr unwahrscheinlich. Es ist möglich, aber unwahrscheinlich. 

Nehmen wir an, es gibt nur eine Realität (aus wissenschaftlicher Sicht haben wir keinen Grund, vom Gegenteil auszugehen). Dann gibt es quasi nur einen «Versuch». Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein stabiles Universum entsteht, das Leben begünstigt, geht gegen null.

Warum also wird der Zufall als die plausibelste Erklärung für dieses Universum herangezogen?

Lesen Sie den ganzen Artikel in ethos 05/2025