Natur pur oder Massenandrang im Nationalpark – Naturlandschaften habe ich in den beiden Ländern ganz unterschiedlich erlebt.
Roland Gerth
26. September 2018

Slowenien

Wenn man von Norden her nach Slowenien einreist, lohnt es sich, einen ersten Halt in Bled einzuplanen. Der gleichnamige See wird auf seiner Nordseite von einem mächtigen Burgfelsen überragt. Mitten im See befindet sich eine Insel mit einer kleinen Barockkirche, zu der man sich auf einer «pletna», einem überdachten kleinen Boot, übersetzen lassen kann. Die ganze Szenerie vor der Kulisse des Karawankengebirges ist vor allem im Morgenlicht ein beliebtes Fotomotiv.

Nicht weit entfernt ist der Bohinjer See, der grösste See Sloweniens. An seinem Westende lohnt sich der Besuch eines der schönsten Naturschauspiele der Region: Der Savica-Wasserfall tritt aus einer Felsspalte hervor und ergiesst sich 78 m in die Tiefe in einen smaragdgrünen Pool.

Der Bohinjer See gehört zum Triglav Nationalpark, den es seit 1981 gibt. Herzstück des Parks ist der 2864 m hohe Triglav, der höchste Berg Sloweniens. Eine interessante Strasse führt durch den Nationalpark, der Vrsic-Pass. Es sind zwar nur 21 km zwischen Anfang und Ende der Passstrasse von Kranjska Gora nach Süden, auf dieser kurzen Strecke geht es aber von 800 m auf 1600 m und wieder gleich weit hinunter, ein Höhenunterschied, den man mit 50 spitzen Kehren bewältigen muss. Nun ist man im Tal der Soca, einem landschaftlichen Höhepunkt Sloweniens. Der Oberlauf des türkisfarbenen Flusses ist ein Paradies für Kajakfahrer, und Angler hoffen, eine Marmorata zu fangen, eine Forellenart, die nur in der Soca und ihren Nebenflüssen lebt. Der schönste Abschnitt der Soca befindet sich bei der gleichnamigen Ortschaft, wo sie sich durch eine 750 m lange, nur wenige Meter breite und bis zu 15 m tiefe Schlucht zwängt.

In der Nähe von Bovec sind gleich zwei Wasserfälle zu bestaunen. Der Boka gehört mit einer Fallhöhe von 106 m zu den höchsten Wasserfällen Sloweniens und ist von der Strasse aus zu sehen. Etwas versteckt bei der kleinen Ortschaft Pluzna ist der Virje Wasserfall, ein Naturjuwel, das wegen seines farbenprächtigen Wassers bei Fotografen äusserst beliebt ist.

Der Süden Sloweniens ist bekannt wegen seiner Karstlandschaften. 6000 Höhlen gibt es hier, wovon die bekannteste, die Postojnska jama (auch Adelsberger Grotte genannt), als schönste Tropfsteinhöhle Europas gilt. Ich möchte aber ein Gebiet vorstellen, welches sich 13 km nordöstlich der berühmten Höhle befindet, aber noch weitgehend unbekannt ist, vielleicht sogar noch ein Geheimtipp ist. Das 2000 m lange und 300 m breite Tal heisst Rakov Skocjan. Es ist eigentlich eine eingestürzte Höhle, durch die sich das Flüsschen Rak einen Weg geschliffen hat. Nur am Anfang und Ende des Tals hat die Höhlendecke standgehalten und bildet jetzt zwei malerische Naturbrücken. Man kann hinuntersteigen zu diesen Felsbögen und dort auf einem markierten Wanderweg völlig ungestört die stille Schönheit dieser eigentümlichen Karstlandschaft geniessen, die schon als Kulisse bei der Verfilmung von Winnetou 2.Teil gedient hatte.

Kroatien

Die Plitvicer Seen sind eines der schönsten Naturschauspiele im Südosten Europas.  1949 wurde das Gebiet zum Nationalpark erklärt und 1979 in die UNESCO-Liste des Weltnaturerbes eingetragen. Auf einer Länge von knapp 8 km reihen sich 16 grosse und kleine Seen wie Perlen aneinander. Sie bilden den Oberlauf des Flusses Korana, der an über 30 Stellen durch natürliche Barrieren und Terrassen aufgestaut wird. Diese Terrassen haben sich in den letzten 4000 Jahren aus Moos, Algen und Mineralien gebildet. Über diese natürlichen Barrieren ergiessen sich zahlreiche Kaskaden und Wasserfälle.

Diesen Nationalpark hatte ich schon vor etlichen Jahren zweimal besucht und bin nun gespannt, wie er sich im Herbstkleid präsentieren wird. Ausserdem hoffe ich, dass jetzt die Hauptreisezeit vorüber ist und ich die Landschaft wie in Slowenien in aller Ruhe fotografieren kann. Meine Erwartungen erfüllen sich nur halbwegs. Die Bäume sind wirklich farbenprächtig und stehen im schönen Kontrast zu den verschiedenen Grün- und Blautönen der Seen. Aber von Nebensaison kann keine Rede sein. Busse um Busse fahren auf die Parkplätze und an den Tickethäuschen bilden sich lange Schlangen. Als um 8 Uhr der Park die Tore öffnet, strömen die Massen auf die Holzstege. Ich reibe mir verwundert die Augen – so habe ich die Plitvicer Seen nicht in Erinnerung. Wenn ich auf den Holzstegen mein Stativ aufbaue und die Wasserfälle mit einer langen Belichtungszeit fotografieren möchte, muss ich immer abwarten, bis sich eine Lücke in den Besuchergruppen auftut, weil sonst der ganze Steg und somit auch die Kamera wackelt.

Da ich einen Zweitagespass gekauft habe, kann ich am nächsten Tag schon in den Park hinein, bevor die Tickets verkauft werden. Ich nutze die Zeit und erklimme einen Aussichtspunkt für eine Übersichtsaufnahme ohne Menschengedränge.

Die Landschaft ist wirklich unglaublich schön und es ist durchaus verständlich, dass dies bis zu 1,5 Millionen Leute pro Jahr erleben möchten, ich bin ja selber einer davon. Als Landschaftsfotograf, der die einsamen Gegenden besonders liebt, ist das aber eine spezielle Erfahrung.

Die Fotostrecke dazu gibts in ethos 10/2018 zu bestaunen.