Das lange Leben von Friedrich Hänssler ist ein eindrückliches Zeugnis der Treue Gottes. Eine nachhaltige Begegnung mit Ermutigungspotential.
Daniela Wagner
17. Januar 2016

Der einstige Hänssler-Verlag geht auf das Jahr 1919 zurück. Wie kam es, dass dein Vater damals einen Musik-verlag gründete?

Mein Grossvater starb sehr früh. So musste mein Vater als 16-Jähriger für seine sechs Geschwister sorgen. In der Schule schmiss ihn der Lehrer aus dem Chor mit den Worten: «Du verdirbst mir den ganzen Chor!» Nach dem Tod seines Vaters begann er mit dem Komponieren und Arrangieren von Liedern, über 3000 sind entstanden. In den Wirren des Ersten Weltkriegs wurde der Verlag, der damals seine Lieder herausgab, zerstört, und so gründete er selbst einen Verlag. Das erste Lied, das er druckte, hiess: «Auf Adlers Flügeln getragen bis hinein in die Herrlichkeit ...» – ein Bestseller! Es wurde in unzählige Sprachen übersetzt. Zu Hause haben wir viel gesungen – noch heute singen wir in der Familie, zusammen mit allen Enkeln.

Im Jahr 1918 verlor mein Vater seinen Bruder im Krieg, seine Frau und das dreijährige Kind starben. So kam es, dass er meine Mutter, die Schwester seiner ersten Frau, heiratete, wir waren insgesamt sechs Kinder. Als ich zehn Jahre alt war, waren schon vier meiner Geschwister gestorben.

Wie wurde später ein Bücherverlag daraus?

1959 übernahm ich den Verlag von meinem Vater. Bis 1970 waren wir ein reiner Musikverlag. Du musst wissen: In meinem ganzen Leben bin ich immer nur in Dinge hineingeschoben worden, von denen ich eigentlich nichts verstand.

Das zieht sich wie ein roter Faden durch mein Leben. Bald merkte ich, dass Gott damit einen Plan hatte. Stets kam ich in vorbereitete Verhältnisse. Mein Gott wusste und weiss genau, was er tut, wenngleich ich oft vieles nicht verstanden habe und mir manches heute noch verborgen ist.

Für unsere klassische Musik kriegte ich von der damaligen DDR eine Genehmigung zur Einfuhr im Austausch. Das hiess, wir mussten im Gegenzug Ware übernehmen, anstatt Geld zu bekommen. Wir übernahmen von der evangelischen Verlags-Anstalt Bücher und erweiterten gezwungenermassen unser Sortiment. So wurde ich zum Verleger, wusste aber nicht, wie verkaufen. Im Westen meinten sie: «Du bist verrückt.» Dann kam die Idee mit Telos – da bin ich ja auf deinen Vater, Bruno Schwengeler, zugegangen. In der Zeit fanden einige Grossevangelisationen statt, viele Menschen kamen zum Glauben an Jesus. Das gab den Anstoss. 1971 kamen die ersten Telos-Bücher heraus, allesamt Volltreffer, die sind super gelaufen. Nummer zwei war «Logik des Glaubens», Nummer fünf «Wahre Jüngerschaft» ... (unglaublich, der alte Herr weiss noch Jahreszahlen und Titel!).

Es wäre auch eine lange Geschichte, wie das Liederbuch «Jesu Name 1», das eine Millionenauflage erreichte, entstanden ist. So etwas kann man nicht mit Werbung machen ...

Du bist sehr musikalisch, spielst hervorragend Klavier und hast wie dein Vater viele Lieder komponiert ...

Na, als Kind musste mich mein Vater fast ans Klavier prügeln, das sagte mir nicht viel. Erst während des Kriegs, als wir bei der Invasion an die Westfront kamen, sollten wir in einer Stadt in den Zug verladen und von dort wegtransportiert werden. An dem Tag bombardierten amerikanische Tiefflieger Zug und Bahnhof. Die Munitionswagen flogen in die Luft. Wir Soldaten waren mindestens zwei Tage dort und konnten gar nichts tun. In einem pädagogischen Institut – in jedem Zimmer stand ein Klavier – haben wir übernachtet. Und dort setzte ich mich hin und spielte stundenlang Klavier, da ist so etwas wie der Knoten geplatzt.

Es gibt eine beeindruckende Geschichte, wie du zu deinem ersten Klavier gekommen bist ...

Damals kamen viele Chorleiter in den Verlag und baten um Beratung. Wir benötigten dringend ein Klavier, die Anschaffung überstieg aber bei Weitem unsere damaligen finanziellen Möglichkeiten. Also beteten wir darum und
einige Zeit später rief eine Tante an. Eine befreundete Baronin suchte für ihren Flügel (aus der Bismarck-Familie, einstiger Reichskanzler) einen Platz in trockenem Klima, bei ihr am See war es zu feucht. Mit Begeisterung boten wir unsere Wohnung dafür an und im Gegenzug durften wir nach Herzenslust darauf spielen. Später liess die Baronin ausrichten, der Flügel solle bei uns bleiben, die sechs Kinder dürften ihn weiterhin benutzen. Und so kamen wir zu einem wertvollen Grotrian-Steinweg der Spitzenklasse, der heute etwa 20 000 Euro kosten würde. Viele bekannte Musiker haben inzwischen auf diesem Instrument gespielt. Beim Start in unsere Ehe hatten wir beschlossen, von unseren bescheidenen finanziellen Mitteln monatlich einen Betrag für die Mission zu geben, was nicht ohne bedeutende Einschränkungen im Haushalt möglich war. Nicht in unseren kühnsten Träumen hätten wir uns so ein Instrument ersparen können! Gott vergilt überreichlich.

Diese Begebenheit steht stellvertretend für viele weitere, ja, unzählige Erlebnisse mit Gott. Kannst du noch einige Beispiele nennen?

Da müsste ich dir von jedem Tag erzählen! Nee, aber wir sind durchaus auch durch schwere Zeiten gegangen ... wo du plötzlich Millionen verlierst, ohne etwas machen zu können. Ich habe das alles nur überstanden, weil ich sagte: «Herr, das ist deine Sache, jetzt musst du auch dafür sorgen, dass es richtig wird.» Ich hatte in meiner Schublade schon die Unterlagen, um eine Stiftung aus dem Verlag zu machen. Immer wieder kam der Vorwurf: «Die wollen ja bloss einen Haufen Geld verdienen.» Und das war es ganz sicher nicht. Unser Anliegen war immer, das Evangelium unter die Leute zu bringen. Man muss es immer wieder abgeben.

Als wir bauten, wurde alles wesentlich teurer und die Finanzen gingen zur Neige. Ausserdem wollte eine Missionsgesellschaft Literatur haben für den Osten – kostenlos. Um das geheimzuhalten, kamen sie spätabends, als vom Verlag niemand mehr da war. Ich belud eigenhändig die Autos und berechnete dabei den Wert der geschenkten Lieferung. Es war exakt das, was uns bei der Finanzierung fehlte! Später schenkte Gott uns ganz genau den fehlenden Betrag! Und zwar kam der Steuerberater und meinte, ich solle mich setzen. Ich war auf alles gefasst. Er eröffnete mir, wir müssten die ganze Sache in einer andern Steuerklasse machen. Das bedeutete für uns, dass wir vom Finanzamt etwas zurückbekommen sollten. Nun, ich hatte auch schon 20 Mark zurückbekommen. So dachte ich mir nicht viel dabei. Aber es waren Tausende Mark – genau die Summe, die wir gespendet hatten und der fehlende Betrag in der Finanzierung! Ich war einfach nur sprachlos. Wo gibt’s dann so was? – Bei Gott – auf den Punkt.

(Artikelauszug aus ethos 01/2016)